NEXT/5: Punkte, die die Welt bedeuten
Shownotes
Jörg und Konrad arbeiten als Vermessungsingenieure daran, unsere Welt in Koordinaten zu übersetzen. Sie verbinden die Welt da draußen – Straßen, Schienen, Brücken, Tunnel, Wasserwege – mit ihrem digitalen Abbild im Computer. Erst dadurch wird die Erneuerung und Erweiterung unserer Verkehrsinfrastruktur möglich. Ihr Arbeitsfeld ist so alt wie die menschliche Zivilisation. Noch immer entwickelt es sich technologisch rasant weiter. Im Podcast geben die beiden einen Einblick in ihr Fachgebiet und beschreiben die Herausforderungen, vor denen sie stehen. Wenn du mehr darüber erfahren magst, wie Vermessungsingenieure im Zeitalter von Drohnen und KI ihr Fachgebiet neu erfinden, dann hör‘ rein – in die fünfte Folge von NEXT.
Gesprächspartner für diese Folge: Jörg Lohmann, Konrad Weiß V.i.S.d.P.: Maria Holschuh Moderation und Produktion: Stephan Paetrow Musik: spacewalk by Tea K Pea, CC-BY (freemusicarchive.org)
Wir freuen uns über Anregungen und Kritik unter next@afry.com. © AFRY Deutschland GmbH 2025
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00:00:11: Stephan Hi, herzlich willkommen zu einer weiteren Folge von Next. Mein Name ist Stephan Paetrow und ich arbeite bei AFRY Deutschland. Heute geht es um eine der ältesten Ingenieurwissenschaften überhaupt, die Geodäsie. Genauer könnte man sagen, es geht um die Vermessung von Baugrund und Bauwerksbestand bei großen Infrastrukturprojekten. Die Zeiten, in denen berühmte Landvermesser wie Alexander von Humboldt oder Carl Friedrich Gauß, den die Älteren noch vom 10-D-Mark-Schein kennen, die Stars der akademischen Welt waren, sind lang vorbei. Wir haben uns daran gewöhnt, jederzeit Zugriff auf genaue Karten von fast jedem Winkel der Erde zu haben. Meist denken wir darüber nicht weiter nach, außer natürlich bei großen und kleinen Bauprojekten. Hier reicht es in der Regel nicht, einfach ein paar alte Pläne aus dem Archiv zu holen oder mal eben bei Google Earth ein Satellitenbild zu suchen. Es ist notwendig, dass vorgesehene Areal in allen Einzelheiten zu kennen. Wer bauen will, muss erstmal messen. Nur wie? Darüber habe ich mit meinen Mainzer Kollegen Jörg Lohmann und Konrad Weiß gesprochen. Die beiden haben mich mitgenommen in die Geschichte und Gegenwart ihres Arbeitsbereichs und mir damit so etwas wie einen neuen Blick auf die Welt eröffnet. Aber hört am besten selbst. Viel Spaß bei Folge 5 von NEXT.
00:01:31: Stephan Wer seid ihr? Was macht ihr?
00:01:32: Jörg Ja, fang ich doch mal an. Mein Name ist Jörg. Ich komm‘ gebürtig aus Trier, hab da auch ne Ausbildung gemacht nach der Schule als Vermessungstechniker, hab dann nach der Ausbildung zum Vermessungstechniker die Bundeswehr gemacht, da kam ich sogar zu den Vermessungsbataillonen und im Anschluss an die Bundeswehr habe ich dann mit dem Studium angefangen. Und das Studium selbst habe ich in Mainz, das ging damals nur in Rheinland-Pfalz, in Mainz und hat einen guten Ruf gehabt und insofern habe ich dann während meinem Studium auch schon gearbeitet als Vermessungsfachmann, damals bei BPI, das war n Planungsbüro und dann war es für mich nur noch n Schritt hier einzusteigen in dem Unternehmen, wo ich schon gearbeitet hatte. Und da bin ich heute noch, auch wenn wir n paar Mal umfirmiert haben, aber das hat wunderbar geklappt.
00:02:23: Konrad Ja, bei mir war es dann so n bisschen kürzer. Ich bin nach dem Abitur in die Vermessung reingekommen. Das Interesse also nicht Interesse, aber das Können lag halt so ein bisschen bei der Mathematik und Interesse bei Geographie. Und dann habe ich tatsächlich auch hier in Mainz studiert, an derselben Hochschule und dann nach dem Studium direkt gesucht, und zwar überall rum, also bis runter nach Passau, hoch nach Aachen und so weiter und dann im Internet gerade hier etwas gefunden, mich vorgestellt und es hat gepasst.
00:02:52: Jörg Also das ist tatsächlich ganz interessant, weil hier sitzen ja jetzt zwei Generationen… Stephan Kann man sagen, dürfen wir sagen, wie alt ihr seid?
00:02:59: Jörg Ich bin 60...
00:03:00: Konrad Und ich bin 30, ja.
00:03:02: Stephan Arithmetisch perfekt, ja.
00:03:04: Jörg Zwei Generationen, und man kann das sehr schön am Studium erkennen, wie die Entwicklung so ist, weil mein Studienabschluss hieß nachher noch Diplomingenieur für Vermessungswesen und dann gab es die Änderung von Vermessungsingenieur für Vermessung und Geoinformatik. Und jetzt hat es noch mal geswitcht. Da sieht man den Schwerpunkt. Jetzt heißt nämlich Bachelor und Master für Geoinformatik und Vermessung, also das neuzeitliche, die Geoinformatik, moderne Vermessungswesen hat da tatsächlich im Namen auch Einzug erhalten.
00:03:40: Stephan Jetzt kommt ja, wenn man so heimwerkert oder irgendwas macht, kommt das Messen vor dem Machen. Also das Faszinierende ist ja eigentlich das Machen. Worauf ich hinaus will in meiner Frage ist: Wenn ihr jetzt jemandem extern beschreiben müsst, was fasziniert an diesem Beruf, warum entscheidet man sich für sowas?
00:04:01: Konrad Wenn wir beim Heimwerken bleiben, dann ist es ja ziemlich unaufgeräumt, einfach drauf loszuarbeiten und vielleicht das Brett erst zurecht zu sägen, zu gucken. Es passt nicht sich da n strich zu machen und wieder zurückzugehen und am Ende passt es vielleicht, aber man ist mit ganz viel vor und zurück immer vorangekommen und bei jeglicher Bastelarbeit ist es ja viel schöner von Anfang an zu wissen, was mache ich, um sich dann mit einer Schablone einmal hinzusetzen, alles auszuschneiden oder zurechtzuschneiden und dann zusammenzufügen und dann beim ersten Mal zu sehen: Es passt. Und entsprechend, das ist ja auch der Vorteil bei der Vermessung.
00:04:31: Jörg Die Vermessung. Also ich muss feststellen, wenn man nicht mit Vermessungsfachleuten direkt spricht, ist die Vermessung eigentlich n Berufsbild, was man gar nicht so kennt.
00:04:40: Stephan Man kennt dieses Straßenbild, dass Leute irgendwie rumstehen…
00:04:45: Konrad …wo die Autos immer schön langsam werden, weil sie glauben, man blitzt sie…
00:05:00: Jörg Ja, aber der Bürger weiß nicht, wo er tatsächlich überall die Berührungspunkte hatte, wenn er nicht selbst schon meine Vermessung beauftragt hat. Dass die Berührungspunkte da sind, wenn man da n bisschen ausholt, dass es tatsächlich so in der Geschichte. Jeder kennt den Mount Everest, der heißt Mount Everest, weil der Vermessungsfachmann, der das gemessen hat, Everest hieß. Pythagoras war einer von den großen, ich sag mal Geodäten. Die Pyramiden, wenn man mal da dran denkt, die wurden ja wahnsinnig genau schon gemessen, 2000, 3000 Jahre vor Christi und ausgerichtet, also astronomisch ausgerichtet noch, und das Ganze ist heute geendet in einer wahnsinnigen Präzision, weil man heute auch tatsächlich das Instrumentarium dazu hat, und das macht die Vermessung, finde ich, interessant.
00:05:37: Stephan Hat die Präzision in den letzten Jahrzehnten zugenommen durch den Siegeszug der Computertechnik oder den Einzug der Computertechnik in die Vermessung?
00:05:48: Jörg Präzise wird schon immer gemessen, früher die Sachen haben auch alle gepasst. Heute hat sich das Bild mit der Anwendung einfach geändert. Was früher orthogonal stattgefunden hatte, quasi von Linien, die man gespannt hatte, rechtwinklig Maße drauf entwickelt und kann so alles abstecken, bauen draußen. Heute hat man ein 3D-System, nämlich das Koordinatensystem und man hat automatisch, indem man mit dem Instrument was absteckt, aufmisst hat man ne 3D-Koordinate. Egal wo die jetzt im Raum liegt, die auch jederzeit wieder zu verorten ist. Vermessung besteht eigentlich nur, wenn man es auf den Punkt bringen will, aus Strecke und Richtung.
00:06:26: Konrad Strecke und zwei Richtungen.
00:06:27: Jörg Zwei Richtungen. Ja gut, wahr. Genau die Höhe kommt noch dazu…
00:06:37: Stephan Angenommen, ihr bekommt ein Projekt, keine Ahnung, ein größeres Infrastrukturprojekt, eine Brücke irgendwo in Deutschland, vielleicht in einem urbanen Raum. Ihr sollt es vermessen. Wie fängt man an? Wie steigt man ein in ein Projekt?
00:06:51: Jörg Also gestartet wird ein Projekt mit der Akquisition, wenn man es mal von Anfang an aufrollen will und dann geht es in die Planung, dann geht es erstmal in die Grundlagenermittlung. Was gibt es für Daten von diesem Areal, wo gemessen werden muss? Man stimmt sich mit dem Kunden ab und im Anschluss geht es dann tatsächlich in die Datenvorbereitung für den Außendienst. Dann wird der Außendienst die Messung durchführen, so wie sie war mit Kunden und Planern und nach dem Außendienst geht es dann in die Weiterverarbeitung und da kann der Konrad sicher sehr präzise was zu sagen.
00:07:27: Konrad Zum Außendienst kann ich aber auch noch kurz… Es ist wichtig, sich von Anfang an drauf festzulegen, in welchem Koordinatensystem überhaupt gearbeitet wird. Wenn wir annehmen, wie so oft, dass die Brücke für die Bahn ist, sind wir im DB-Ref unterwegs.
00:07:38: Stephan Da musst du vielleicht auch noch n bisschen weiter vorn ansetzen und erklären, wie ist das überhaupt mit den Koordinatensystemen. Wenn ich jetzt von meinem naiven Alltagsverständnis komme: Ja ok, es gibt halt Länge und Breite, das ist ja irgendwie standardisiert. Warum gibt es jetzt plötzlich verschiedene Koordinatensysteme?
00:07:52: Konrad Jedes Land oder zumindest einige Länder haben auf sich festgelegte, möglichst gut liegende Koordinatensysteme erstellt. In Deutschland ist das zum Beispiel Gauß-Krüger. Die Erde ist ja nicht flach, sondern rund – wissen oder glauben, wissen die meisten. Das ist dann möglichst gut an Deutschland angepasst. Diese gedachte Fast-Kugel und für andere Länder gibt es ein entsprechendes anderes. Deswegen gibt es unterschiedliche Systeme und die Deutsche Bahn hat ihr eigenes System. Zum Beispiel, dass dieses DB-Ref, was ich erwähnt hatte. Weltweit gibt es das UTM. Man hat in der Regel dann drei, vier Möglichkeiten oder je nachdem wie groß die geographische Erstreckung des Projekts ist. Und dann muss man sich eben erst mal verständigen nach Möglichkeit für ein System pro Projekt. Wenn es ganz lange Projekte oder Projektgebiete sind, dann gibt es da natürlich auch wieder Verzerrungen, aber auf jeden Fall, wenn wir dann so weit draußen sind, dass wir dieses Festpunktsystem in dem Koordinatensystem haben auf dem wir dann unsere Messungen entweder mit Tachymeter, also einzelne Punkte, oder mit einem Laserscanner, also alles was man so sehen kann… Stephan Und wenn ich euch richtig verstanden habe: Am Anfang guckt man aber natürlich erstmal was gibt es schon holt sich erstmal beispielsweise Pläne von Bauwerken und da werden ja auch schon Daten drin sein dann…
00:09:26: Konrad Oftmals nicht. Also wir sind gerade an einem an einem Projekt dran, dem Deutschherrenbrückenzug. Da wurde von der Deutschen Bahn bei ihnen im Archiv wirklich alles durchforstet und wir haben dann Handskizzen bekommen. Nennen wir es mal so, mehr gab es gar nicht mehr im Archiv. Alles andere ist komplett verloren gegangen. Ja, stellt man regelmäßig fest, dass Maße, von denen vielleicht Behörden ausgehen, nicht stimmen, was bei uns öfters vorkommt, ist, dass bei den Maßen, die aus dem Laserscan oder aus unserer Vermessung kommen, festgestellt wird, dass sie überhaupt nicht zu den doch mal besseren Bauwerksplänen. passen, wo dann die Länge, die Höhe, Höhenunterschiede zwischen zwei Maßnahmen und so weiter überhaupt nicht, also auf 10 Zentimeter oder noch mehr, nicht übereinstimmen.
00:10:10: Jörg Das liegt tatsächlich oft am Archiv, weil die meisten Bauwerke, die jetzt von uns neu gemessen werden, sind halt schon älter, weil sie halt in Sanierungsstau geraten sind und meist neu sogar gebaut werden müssen.
00:10:21: Konrad Im Innendienst geht es dann natürlich halt weiter mit der Auswertung. Das fängt an bei der Auswertung der tachymetrischen Messung, also mit den Einzelpunkten, die man draußen aufgenommen hat, oder im Laserscan, das aus dem Laserscan dann wieder die entsprechenden Kanten oder Punkte gezogen werden können. Denn der Laserscanner nimmt ja alles mit, aber nichts was einen direkt interessiert. Also nicht diese Gebäudeecke wird genau mitgenommen, sondern es werden halt Millionen Punkte mitgenommen, woraus man sich dann diese Ecken errechnen muss. Das ist der erste Schritt, um dann mit Lageplänen zum Beispiel dementsprechend weiterzumachen, die dann abgegeben werden, früher auf Papier, mittlerweile wird es manchmal noch als PDF gewünscht, aber eigentlich arbeitet jeder mit seinem Computer weiter. Von daher sind die normalen DWG Formate, also Drawing-Formate, eigentlich die gängigen Formate und dann das Ganze weiterzuentwickeln in Geländemodelle, also DGMs oder DOMs, Oberflächenmodelle, und sonst in Bestandsmodelle für unsere oder halt externe Planer.
00:11:21: Stephan Dieses Nicht-korrekt-Sein von Plänen ist das ein Phänomen, das einfach heute genauer gemessen wird oder ist es so, dass sich die Bauwerke vielleicht auch einfach verändern, über Jahrzehnte hinweg? Also Untergrund absackt oder sowas?
00:11:36: Jörg Manchmal erwischt man ne falsche Revision, die einem übergeben wird. Es gibt zu einem Objekt tolle Pläne dazu, die sehen auch korrekt aus. Und dann gab es aber aus irgendwelchen Gründen ne Revision des Plans, das heißt man hat noch irgendwas geändert und dann stimmen natürlich Maße nicht mehr. Der Plan wurde im Archiv nicht abgelegt. Ne andere Möglichkeit, dass man draußen andere Maße ermittelt, ist, dass draußen die Ausführung einfach auf n Hindernis gestoßen ist und sie dann umplanen mussten. Also eine Änderung der Ausführungsplanung, aber die nicht im Plan fortgeführt wurde.
00:12:11: Stephan Ja, das wird mir jetzt auch gerade erst mal bewusst: Der Plan geht natürlich der Ausführung in aller Regel voraus. Und klar, die Baufirma, die dann irgendwas zu machen hat, die dann in der Praxis feststellen, es geht aber so nicht, dann wird es dann ein bisschen anders gebaut.
00:12:29: Jörg Man wundert sich dann, der Laie wundert sich, warum kann das jetzt nicht passen? Ich habe doch den Plan, haben die falsch gebaut? Nee, sie haben so gebaut, wie es möglich war damals. Oder der neue Plan hat nicht ins Archiv Eingang gefunden.
00:12:43: Stephan Konrad, du hast das Projekt Deutschherrenbrücke in Frankfurt am Main schon erwähnt. Vielleicht kannst du ein bisschen beschreiben, was ist das für ein Projekt? Worum geht es? Was macht eure Arbeit in diesem Projekt?
00:12:57: Konrad Das Projektziel, das nicht bei der Vermessung, sondern generell, ist, zur Entlastung des Frankfurter Knotens, das heißt, es wird neben der bestehenden Deutschherrenbrücke, soll ne weitere Brücke entstehen, um mehr Spuren für die Deutsche Bahn zur Verfügung zu haben. Über den Main hinweg, bis es sich beim Bahnhof Frankfurt Ost wieder einfädelt. Die Deutschherrenbrücke ist tatsächlich ein Projekt, was sehr interessant ist, auch weil es vor der Haustür ist und im Knoten Frankfurt. Und beim Knoten Frankfurt da dient es wirklich dem Ausbau unter Last. Das heißt, man kann diese Strecke nicht stilllegen, für die Bauphase komplett. Vom Südbahnhof Frankfurt kommend bis zum Ostbahnhof, anderthalb, zwei Kilometer, wird ein Neubau geplant, der in Parallellage nachher verläuft und die alte Brücke muss erhalten werden wegen Denkmalschutz. Denkmalschutz ist heut n ganz großes Thema. Das wird halt aufgehübscht, saniert und die neue Streckenführung läuft dann über das Parallelbauwerk, das dann nach dem Südbahnhof ausfädelt und vor dem Frankfurter Ostbahnhof wieder einfädelt.
00:14:00: Stephan Die Vermessung ist ein unheimlich altes Arbeitsgebiet, dementsprechend ist es halt ne lange Evolution und jetzt kommen wir aus einer analogen Welt, wo man Entfernungen optisch misst und einzelne Punkte hin zu Punktwolken. Wie du beschrieben hast mit zig Millionen Punkten wahrscheinlich für ein Projekt. Was sind sozusagen in eurem Bereich die großen technologischen Entwicklungen, die uns vielleicht noch bevorstehen?
00:14:27: Jörg Mit Beginn meiner Ausbildungsphase gab es die ersten selbstregistrierenden Tachymeter, das heißt, früher musste man Richtung und Strecke aufschreiben, also mit vielen Nachkommastellen dann, die man ablesen konnte. Und die wurden dann anschließend wieder eingetippt und dann wird berechnet. Mit den selbst registrierenden Tachymetern hat sich das erledigt. Hat natürlich wesentlich weniger Fehler: Ablesefehler, Schreibfehler. Und die nächste Evolution, das heißt zumindest große Entwicklung war dann die codierte Latte. Das heißt, man hat auch beim Nivellement nicht mehr die Latte genau abgelesen, sondern das Instrument hat, nachdem es horizontiert wurde, automatisch das Bild, was es erkennt an der Latte, und dadurch die Zahl und das ging dann noch weiter. Das war im Anschluss noch das ATR. Hatte das ATR ist eine automatische Zielerfassung. Das Ganze erleichtert natürlich die Arbeit ungemein, macht es aber auch viel kurzlebiger draußen. Man ist viel schneller, man muss viel mehr Leistung erbringen. Und die nächste Entwicklungsstufe ist dann tatsächlich, die immer mehr kam, ist der Laserscan, 3D-Laserscanning. Früher hat man mehr den terrestrischen Laserscan gehabt, dann hat man einen mobilen Laserscanner gehabt, den man sich aufschnallt, auf die Schulter setzt, und man hat quasi Millionen von Punkten erzeugt, auch wenn man nur vielleicht acht Stück braucht. Und im Anschluss gab es dann noch weiterführend das luftgestützte Laserscanning per Drohne oder Flugzeug. Im Großflächenbereich mit Flugzeugen auch. Und es gibt noch das Mobile Mapping, das heißt das ist ein Scanner, der auch auf Fahrzeugen aufgespannt wird, kalibriert wird und dann werden Straßenzüge zum Beispiel damit abgefahren und es beschleunigt die Messung ungemein mit dem schweren großen Nachteil der Datenmengen. Wenn man früher nur diskrete Punkte gezielt gemessen hat und man hat dann ne kleine Auswahl, aber die haben genau das Gelände beschrieben, hat man heute Millionen Punkte vom Gelände und die müssen im Innendienst identifiziert werden, welcher Punkt wichtig ist. Und da sind wir jetzt schon den nächsten Schritt eigentlich dran gehen, dass die KI uns da hilft, aber so weit ist sie leider noch nicht.
00:16:46: Stephan Also wenn ich richtig verstehe, ist sozusagen der springende Punkt an dem Stand, wo wir uns technologisch gerade befinden, nicht das Messen selber, sondern die Verarbeitung der Messdaten, die eben durch dieses exponentielle Datenwachstum, was wir verzeichnen einfach zum großen Zeitfresser wird.
00:17:05: Konrad Ja, das Ummodeln von traditionellen Punkten oder Punktwolken in Pläne, Geländemodelle, Modelle generell, das zu übertragen sind wir, würde ich sagen, bei Otto Lilienthal irgendwo.
00:17:19: Jörg Die Messtechnik-Hardware ist da, aber die Software, die Auswertetechnik halt nicht. Weil eben die Datenmenge, wenn wir von Punkten sprechen, dann sind das immer dreidimensional gemessene, also Lage, Rechtswert, Hochwert und Höhe, dreidimensionale Punkte, die verarbeitet werden müssen. Und diese Datenmengen, das ist tatsächlich immens Arbeit, aber das ist natürlich eine super Aufgabe für die KI, wenn sie denn auch bei uns so kommt, wie man sie benötigt. Und was ganz interessant ist, hier wurden ja jetzt so viele Messtechniken auch angesprochen, dass die Projekte, wenn man also die letzten drei Großprojekte nimmt, da waren diese Techniken fast alle. Wir hatten die letzten Projekte, wo wir ganz normal terrestrisch gemessen haben. Wir haben große Festpunktnetze erstellt. Wir hatten in demselben Projekt eine Befliegung, also Drohnenbefliegung, Airborne Laserscan, und wir hatten in demselben Projekt auch noch Mobile Mapping gehabt.
00:18:15: Konrad Man muss halt immer wissen, welcher Workflow am besten beziehungsweise auch für welches Gebiet am besten ist. Die Airborne Laserscanner sind genau, aber was das Rauschen angeht ist Photogrammetrie bei gut erkennbaren Flächen, also Straßen oder Flächen zum Beispiel, viel besser. Aber Laserscanning kommt dann wieder besser durch Blätterdächer durch, dass man n bisschen mehr vom Boden bekommt und wenn es um ganz kleine, einfache Aufgaben geht, wie Aufmessung von einem Bahnübergang, dann lohnt sich oftmals n Laserscanner gar nicht.
00:18:44: Stephan Photogrammetrie ist klassische Luftbild...
00:18:47: Konrad Nicht wirklich. Also ein Luftbild ist ein Bild aus einem Flugzeug. Das möchte ja oftmals, möchte man vielleicht entzerrt haben, sodass man keine Verzerrungen an den Bildrändern hat. Dann ist es ein Orthophoto beziehungsweise True Orthofoto, wenn wirklich alle Wände vertikal sind. Dafür muss man aber mehr als ein Foto haben, um das Zusammenzusticken sozusagen. Und Photogrammetrie errechnet aus mehreren Fotos die dreidimensionalen Punkte darüber, dass es die Objekte im Bild erkennt, also Straßenmarkierungen, Hausecken und so weiter und so fort.
00:19:28: Stephan Noch ne naive technische Nachfrage. Warum heißt es eigentlich Rechtswert?
00:19:28: Konrad Na ja, geht nach rechts auf der Karte.
00:19:31: Jörg Ja, man sagt ja auch East und North, North und East, und dasselbe wäre Hochwert und Rechtswert.
00:19:37: Stephan Also ihr habt einfach in der Vermessung n anderes Vokabular. Ne komplett andere Terminologie, die sich einfach über viele Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte irgendwie etabliert hat. Konrad Das kommt lustigerweise aufs Koordinatensystem an. Ein Easting-Northing-Elevation kommt bei UTM, Rechtswert-Hochwert-Höhe Gauß-Krüger. Und Rechtswert-Hochwert-Höhe ist einfach im deutschen Sprachgebrauch, einfach weil immer klar ist, rechts geht nach rechts, wie ich vorm Rechner sitze, wenn ich XYZ habe, dann ist nicht klar, was was ist.
00:20:08: Jörg Und mit der Besonderheit: Der Mathematiker wird darüber stolpern, dass X hier nach oben geht und Y nach rechts...
00:20:14: Konrad Kommt aufs Koordinatensystem an. Jörg …aber in der Regel ist der Rechtswert mit Y bezeichnet und der Hochwert jetzt X.
00:20:23: Stephan Der Hochwert ist Nord?
00:20:25: Jörg Ja genau ne. Und in der Mathematik hat man ja X nach rechts und Y nach oben.
00:20:31: Konrad So wie man ne Karte vor sich legt und man mit dem Finger nach rechts fährt ist es Rechtswert. Und dann gibt es ja viele Menschen, die sagen, die Schweiz ist unter Deutschland, also nach unten statt nach oben oder Dänemark ist über, sozusagen hoch gesehen von Deutschland.
00:20:45: Stephan Ja, was mich nur fasziniert daran ist tatsächlich, dass in einem so technisch ausgearbeiteten Gebiet wie der Vermessung oder dem Vermessungsingenieurwesen, dass so intuitiv gelöst ist. Also ich hätte es jetzt mir eher umgekehrt gedacht. Ich sage irgendwas von rechts oder oben und ihr sagt, was erzählt er da für einen Schwachsinn. Dänemark ist nicht über Deutschland, aber für euch ist das total normal.
00:21:10: Konrad Na ja, wenn es um normale Karten geht und jemand erzählt mir, dass Dänemark über Deutschland ist, berichtige ich das auch wieder auf Nord. Aber es ist einfach besser zu merken als X, Y und Z, weil das je nach System unterschiedlich sein kann. Stephan Noch eine andere Frage, Jörg: Du hast es vorhin schon ein bisschen beschrieben oder ihr habt es beide beschrieben, die Pläne stimmen nicht immer, beziehungsweise das Bauwerk ist ein bisschen anders gebaut als die Pläne. Da könnte man natürlich auch auf die Frage kommen, vielleicht war das ja auch ganz in Ordnung, so wie das in der Vergangenheit gemacht wurde. Also worauf ich hinaus will: Wie genau ist vielleicht zu genau? Also es wird sehr genau gemessen, man hat ne sehr hohe Präzision in der Vermessung, man kann dementsprechend sehr genau planen. Nur die Realität ändert sich ja auch nicht. Also die Baufirma kommt ja vielleicht trotzdem und stellt irgendwas fest und baut dann in der Realität etwas, was so ungefähr stimmt. Messen wir eigentlich zu viel? Hat das nicht ausgereicht damals mit ein paar Punkten? Oder bringt das wirklich einen Mehrwert für die Projekte?
00:22:19: Jörg Das erinnert mich jetzt tatsächlich an mein Studium wieder. Wir hatten einen Professor, der hat sehr viel Wert darauf gelegt, dass man überlegt, wozu mess‘ ich das denn? Und wenn man dann in Berechnungen das Ergebnis mit fünf Nachkommastellen angegeben hat, dann hat er gesagt, das ist falsch. Und hier ist es in der Praxis nicht ganz so streng, aber die Technik verleidet uns halt einfach dazu. Das ist nicht mehr Arbeit, aber es ist ein Defekt der Technik, dass man wesentlich mehr Daten sammelt wie notwendig. Was die reine Genauigkeit angeht, die erarbeite ich mir durch mein Messkonzept, indem ich sage, für diese Maßnahme brauch ich die Genauigkeit und dazu brauch ich dieses Instrument. Wir haben da Projekte am Neckar, wo wir für Schleusen und Wehre die Auftraggebervertretung machen, also die Bauüberwachung. Und die schließt ein, dass wir Maßkontrollen durchführen, und zwar in Stahlwerken von zum Beispiel Schleusentoren, und diese Schleusentore, die hatten tatsächlich eine Maßtoleranz, eine erlaubte, das kann man sich gar nicht vorstellen, 40 Tonnen schwer und die hatten eine Maßtoleranz im Submillimeterbereich, also im kleinen Zehntelmillimeterbereich, und das mussten wir nachweisen, indem wir dann vor Ort mit einem Lasertracker, der tatsächlich, wenn er kalibriert ist und das Werk stillsteht, das ist tatsächlich so, da wurden die Maschinen angehalten, da hat nichts. Die Türen wurden geschlossen, damit auch kein Luftzug ist. Und diese Genauigkeit, die ist dann tatsächlich im kleinsten Zehntelmillimeterbereich nachweisbar. Und dann können wir sagen, das Tor ist korrekt gefertigt und es kann von der Werkbank genommen werden. Und so lang bis das nachgewiesen ist, steht das Werk still an der Stelle. Wenn man jetzt ne Tachymeteraufnahme im Feld hat und muss ne Böschungsunterkante messen, die misst jeder von uns auf 10, 20 Zentimeter wahrscheinlich anders, weil der eine sagt, Ich hab die Böschungsunterkante mehr da, der andere geht n Schritt weiter, misst sie da. Es gibt keinen wirklichen Punkte, alles ist richtig.
00:24:37: Stephan Wenn ihr euch etwas aussuchen könntet auf der Welt, was ihr mal vermessen dürftet, muss man sich da irgendwie die üblichen Urlaubsorte vorstellen oder wäre das irgendwas, worauf man nicht sofort kommt?
00:24:38: Konrad Wo ich immer ganz neidisch bin, ist, wenn ich auf LinkedIn oder bei irgendwelchen Arte-Dokus Vermesser sehe, die mit Laserscanner in alte Katakomben oder Höhlen oder Burgen oder Festungen oder sonst irgendwas komplett 3D scantechnisch aufnehmen und dann das komplett gesäubert vor sich haben und weitergeben können. Oder diese Befliegungen, die mittlerweile großflächiger als vorher in Südamerika oder Mittelamerika gemacht werden, wo jetzt letztens auch wieder einfach ne ganze Stadt entdeckt wurde, das ist was, was bei uns nicht vorkommt. Wir haben jetzt auch n Projekt, da geht ein Eisenbahntunnel unter einem Dorf durch und in den alten Plänen geht im Tunnel links noch ein oder zwei Stollen ab. Stollen ist schon übertrieben, sind eher so Gänge, und ich hoffe, da kommen wir noch rein, das wäre dann so einmal sowas in diese Richtung.
00:25:28: Jörg So n Wunsch ist, so Indiana-Jones-mäßig, dass man sagt, man hat hier irgendwas sehr Historisches. Ob das die Pyramiden damals waren. Das ist messtechnisch nicht die Herausforderung, aber das Objekt ist halt die Herausforderung. Die Geschichte, die da mit einhergeht, und das macht das natürlich schon interessant.
00:25:49: Stephan Was muss man denn können, um ein guter Vermesser, eine gute Vermesserin zu sein?
00:25:56: Konrad Mathematisches Gedächtnis, ordentliches Arbeiten, also strukturiertes Arbeiten und wenn es um Außendienst geht, vielleicht eine Grundfitness.
00:26:03: Jörg Ich kann das noch ergänzen, was tatsächlich immer zu kurz kommt, ist jetzt nicht negativ gemeint, aber da müssen wir immer dran arbeiten, ist die Kommunikation nicht nur untereinander, auch mit den Auftraggebern. Ja, natürlich, also insgesamt die Kommunikation, das Abstimmen untereinander mit AG, mit Planer, also AG Auftraggeber, man selbst und natürlich untereinander zwischen Außendienst, Innendienst, also den Projektvorbereitenden und den Ausführenden, damit man da tatsächlich immer das Ziel im Blick hat, nämlich das Ziel sagt einem auch, wie ich vorgehen muss.
00:26:38: Stephan Und das war sie, unsere fünfte Folge von NEXT. Wie wir gehört haben, ist die Evolution des Vermessungswesens auch nach mehreren Tausend Jahren Geschichte noch nicht zu Ende. Stattdessen scheint sich der technologische Fortschritt durch Laserscanner, Drohnen, KI und Co. sogar zu beschleunigen. Gleichzeitig bleiben die Fundamente wichtig. Mathematischer Sachverstand und gute Kommunikation. Danke an Jörg und Konrad für die Einblicke in ihren Arbeitsbereich und Danke an euch für‘s Zuhören. Falls ihr Anregungen, Fragen, Wünsche oder Kritik habt erreicht ihr uns unter next@AFRY.com. in ein paar Wochen gibt es hier eine neue Folge. Schön, wenn ihr auch dann wieder zuhört. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit, bleibt positiv und denkt an was Neues.
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